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Niklas Kühner, Gründungsmitglied von Demokratie Schule, hat seine Gedanken zu dem durch die Corona-Krise erzwungenen Online-Unterricht niedergeschrieben

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Du, ich und die gesamte Menschheit werden seit etwa einem Jahr von einem mikroskopisch kleinen Virus geplagt, der unser aller Leben ziemlich auf den Kopf stellt. Natürlich weißt du sofort, was ich meine, die Rede ist vom Corona-Virus.

 

In meinem Beitrag soll es weder um wirtschaftliche Analysen noch um medizinische Feststellungen gehen, das überlasse ich den Profis. Ich schreibe über den Lebensbereich, der mir am nächsten ist, die Schule.

 

Auch in der Schule kam es zu massiven Schwankungen. Seit März 2020 werden hastig Hygiene-Konzepte entworfen, Whiteboards aufgehangen, Fenster geöffnet. Auch der letzte Frontalpauker ist nicht darum rumgekommen, sich vor den Computer zu setzen und sich mit dem sogenannten „Internet“ zu befassen. In meinen Augen eine positive Entwicklung. Der Fernunterricht bringt aber nicht nur einen digitalen Aufschwung mit sich, der in wenigen Monaten das geschafft hat, was davor jahrelang vom Overhead-Projektor erfolgreich verhindert wurde, nein. Er zwingt uns Schüler*innen mehr denn je dazu, uns einer gegebenen Autorität zu unterstellen, die für uns nicht wirklich greifbar ist und fast schon unwirklich wirkt:

 

„Da ist der Auftrag, den machst du bis Mittwoch, wenn nicht, gibt’s Ärger. Ach ja, eine Note bekommst du auch noch, aber du machst das ja sowieso für dich und nicht für die Note. Der zeitliche Rahmen reicht dir nicht? Klingt nach deinem Problem.“ Das ist das System. So einfach ist das.

 

Worauf ich hinauswill: Das Homeschooling nimmt uns Schüler*innen den letzten Rest Selbstbestimmung, der uns in einem veralteten, unter einer zentimeterdicken Staubschicht begrabenen Schulsystem gewährleistet wird. Das liegt an der deutlich eingeschränkten, ansonsten so alltäglich-selbstverständlichen Kommunikation zwischen Lehrer*in und Schüler*in. Ansonsten liefert diese nämlich eine Art von Kollegialität, ein Miteinander. So entsteht aber Distanz und man fühlt sich mehr denn je untergeordnet.

 

Es ist, als würde man die Arbeit für eine Maschine machen. Feedback kommt nur selten vor. Man verliert den Zweck der Aufgaben aus den Augen, da diese (nach meiner persönlichen Erfahrung) häufig repetitiv, flach und zeitraubend sind.

 

Natürlich ist die Lage ernst und der Fokus der Politik liegt mehr auf den immer in den Vordergrund gestellten, ach so wichtigen Themen wie Medizin und vor allem Wirtschaft. Es ist aber kein neues Problem, dass ein Großteil der Schüler*innen Schulen besucht, in denen seit Jahrzehnten klare Hierarchien bestehen, die voraussichtlich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht reformiert werden. Ich zitiere die SINUS-Jugendstudie der Bundeszentrale für politische Bildung 2020: „In Sachen Mitbestimmung stellen die Jugendlichen ihren Schulen ein schlechtes Zeugnis aus. Möglichkeiten für Mitbestimmung in der Schule werden kaum gesehen. Schule wird als statisches und kaum gestaltbares System gesehen.“

 

Diese Statik wird von der Politik seit Jahren nicht anerkannt- Es ist ja auch einfacher, jeden durch den gleichen Schlauch zu schicken anstatt auf persönliche Stärken, Schwächen und Interessen einzugehen. Eine Hand voll Privatschulen in Deutschland haben es begriffen, mit basisdemokratischen Konzepten und wirksamen Möglichkeiten der Mitbestimmung sind sie die Vorreiter unseres Bildungssystems.

 

Um auf den Online-Unterricht zurückzukommen: Ich bin der Auffassung, dass sich online demokratische Strukturen und digitale Bildungsmöglichkeiten kinderleicht und übersichtlich umsetzen lassen. Eine engagierte, moderne Lehrkraft würde das in 10 Minuten schaffen. Einige Lehrer*innen gehen da auch schon mit gutem Beispiel voran und gestalten ihren Unterricht durch online Tools wie zum Beispiel Kahoot! und menti.com digitaler oder erstellen sogar Umfragen, um die Schüler*innen entscheiden zu lassen, in welche Richtung die nächste Unterrichtseinheit gehen soll und sind damit um einiges zeitgemäßer als die Kolleg*innen, die es nicht einsehen wollen, dass der Overhead-Projektor schon längst zum alten Eisen gehört.

 

10 Minuten Zeitaufwand für Mitbestimmung in Zeiten von Corona. Eigentlich keine große Sache, im deutschen Schulsystem aber leider utopisch. Der deprimierende Grund ist Faulheit auf Seiten der Politik.

 

Bevor Bildung mit Demokratie verbunden sein wird, werden Generationen von Schüler*innen bedauerlicherweise eine weiterhin altbackene, unzeitgemäße Schullaufbahn von vorgestern durchlaufen müssen.

 

Ich danke euch sehr für eure Aufmerksamkeit. Niklas Kühner

 

(SINUS-Studie: https://www.bpb.de/presse/313113/sinus-jugendstudie-2020-wie-ticken-jugendliche)

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